Der Liberalismus gehört zu den drei großen politischen Weltanschauungen neben Konservativismus und Sozialismus. Hervorgegangen ist er aus der Aufklärung im 17. Jahrhundert, später entstanden in vielen Ländern Nationalstaaten und Demokratien. (Vor)Denker dieser Zeit waren Immanuel Kant und Wilhelm von Humboldt. Kant propagierte Menschenrechte, eine Verfassung und Selbstbestimmung der Bürger. Daraus resultierte eine Wirtschaftsordnung, die sich auf Wettbewerb, Freihandel, Recht auf Privateigentum bezieht. Wilhelm von Humboldt begründete Bildung als Grundlage für Freiheit und Selbstbestimmung. Dem Staat kommen im klassischen Liberalismus die Aufgaben zu, die innere und äußere Sicherheit zu gewährleisten, ein unabhängiges Rechtswesen zu implementieren sowie die Gesundheitsversorgung und Bildung seiner Bürger sicherzustellen. Dieses Verständnis von Staat und seinen Aufgaben, das den Menschen im Mittelpunkt sieht, wird gern auch polemisch als „Nachtwächterstaat“ bezeichnet.
Unsere Vordenker wussten, dass es zum Liberalismus und der daraus resultierenden Demokratie keine Alternative für ein selbstbestimmtes Leben gibt. Aber, was bedeutet diese Vorstellung von Liberalismus aus dem 17. Jahrhundert für den Liberalismus im 21. Jahrhundert?
Hier einige Gedanken:
Die Grundidee, den Menschen im Mittelpunkt zu sehen und jedem persönliche Freiheit und Entfaltungsmöglichkeiten für ein selbstbestimmtes Leben zu schaffen, ist heute aktueller denn je. Gerade durch die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Einschränkungen für den Einzelnen und auch unser gesamtgesellschaftliches Zusammenleben in allen Bereichen, zeigt, dass liberale Grundwerte immer neu verteidigt werden müssen. Sie sind (leider) kein Selbstverständnis.
Doch auch vor der Pandemie gab es eine Entwicklung, die unsere Welt, Europa, Deutschland, Bayern und auch unseren Landkreis verändert haben.
Die Globalisierung, das Internet haben gedanklich und physisch die Grenzen fallen lassen. So sehr wir unsere Waren weltweit exportieren, so gering werden der liberalen Grundwerte in der Welt gelebt. In weniger als der Hälfte aller Staaten weltweit existiert eine parlamentarische Demokratie. Was für uns zum liberalen Wertekern gehört, wird in der Mehrheit der Staaten als unwichtig angesehen und mit Füßen getreten. Die Folgen sind auch für uns fatal: mehr als 70 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Diejenigen, die über das Mittelmeer und über Schleusertracks in Europa stranden, sind eine Minderheit. Was ist zu tun? Die Bemühungen, funktionierende Demokratien zu implementieren sind richtig. Funktionieren wird es aber nur über Bildung! Solange die Bevölkerung weiterhin so rasant wächst, Frauen als Gebährmaschinen gesehen werden, werden wir die Flüchtlingswellen nicht stoppen können. Haben wir den Mut, wirtschaftliche Hilfen für andere Länder mit Bildungseinrichtungen insbesondere für Frauen zu kombinieren.
Die Bedeutung von Bildung wurde während des Corona-bedingten Lockdowns auch bei uns sichtbar. Schulen mussten von heute auf morgen statt Präsenzunterricht Homeschooling anbieten. Weder waren die Schulen technisch darauf vorbeireitet noch waren die Lehrer ausreichend geschult. Die Digitalisierung des Bildungswesens wurde schlichtweg verschlafen. Hier müssen wir sehr viel mehr Anstrengungen unternehmen, Lehrer, Schüler und auch die schulischen Einrichtungen so zu ertüchtigen, dass sie den Humboldtschen Bildungsidealen gerecht werden. Die mathematische Gleichung je höher das Bildungsniveau einer Gesellschaft desto höher das Verständnis von Liberalismus und schließlich von Lebensqualität und individueller Freiheit ist heute noch so richtig wie zu Zeiten der Aufklärung.
Beispiele von Nationen, die zwar wirtschaftlich erfolgreich sind, aber in ihrer Gesellschaft hoch gespalten, zeigen dieses. China und auch die USA sind hier als Beispiele zu nennen. Beide Länder sind Wirtschaftsgiganten, im Inneren liegen tiefe gesellschaftliche Gräben. Menschen- und Bürgerrechte werden in China dem Nationalstaat und den Interessen der Machthaber untergeordnet. In den USA ist es das Kapital, das regiert. Der einstige Traum „vom Tellerwäscher zum Millionär zu werden“, der viele in das Land jenseits des Atlantiks auswandern ließ, ist heute ein fast unerfüllbarer Wunschgedanke. Auch die politischen Systeme beider Länder nutzen zwar demokratische Mittel, aber China als Demokratie zu bezeichnen, wäre falsch. Auch die USA, die durch Rassismus immer wieder für unliebsame Schlagzeilen sorgt, haben den Weg des Liberalismus verlassen. Die Folge für uns kann deshalb nur sein: macht Europa als demokratischen Kontinent so stark, dass er ein Gegenpol zu den USA und China ist!
Es liegt an uns allen, die Verantwortung für unser Handeln und damit auch für unser Land zu übernehmen. Wir dürfen den Staat nicht überfordern und meinen, der Staat wird es schon richten. Wir müssen uns auf die Grundidee des Liberalismus berufen. Denn zu Freiheit und Demokratie und Eigenverantwortung gibt es keine Alternative!